Mit Videogames zum Lernerfolg

Lernen mit Videospielen? Für viele undenkbar, für manche sogar eine Provokation. In den meisten Medien und ebenso in breiten Teilen der Öffentlichkeit stehen PlayStation, Xbox und Wii immer noch stellvertretend für (Ego-) Shooter und ausufernde Gewaltinszenierungen – und darüber hinaus vielleicht noch für schnelle Autorennen, atemlose Action oder fesselnde Fußballspiele. Eigentlich kein Wunder, handelt es sich hierbei doch um die plattformübergreifend beliebtesten Genres: Serien wie `Call of Duty´, `Assassin’s Creed´, `FORZA Motorsport´ oder `FIFA´ erfreuen sich seit vielen Jahren ungebrochener Beliebtheit bei den Spielern und konnten sich nicht zuletzt dank ihrer stattlichen Marketingbudgets auch im Bewusstsein der nicht spielenden Bevölkerung verankern. Mit spielerischem Lernen haben diese Videospielserien aber gar nichts zu tun. Oder doch?

Shooter für Chirurgen

Dass Spiele durchaus als Lernmedien taugen und vor allem kinästhetische, kommunikative und soziale Kompetenzen fördern können, ist bereits seit den einschlägigen Forschungen des Schweizer Entwicklungspsychologen Jean Piaget in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts hinlänglich bekannt. Zwar lagen dessen Forschungen noch traditionelle Spiele wie Murmel- oder Theaterspiele zugrunde, längst ist jedoch dokumentiert, dass auch mit Videospielen ein vergleichbarer Lerneffekt erzielt werden kann. So entwickeln sich zum Beispiel durch das ständige Wiederholen bestimmter Aufgaben bei gleichzeitiger Erhöhung des Schwierigkeitsgrades in Shootern oder Rennspielen das Reaktionsvermögen und die Auge-Hand-Koordination. Selbst solche Videospiele mit plakativ zur Schau gestellten Gewaltinhalten können weniger die Aggressivität als vielmehr das Sozialverhalten fördern – wenn sie im Mehrspielermodus gespielt werden und somit Teamwork gefragt ist, weiß der Psychologe Douglas Gentile von der University of Iowa.

„Bei so einem Spiel passiert unheimlich viel auf einmal“, ergänzt der Hamburger Medienpsychologe Leonard Reinecke im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und bezieht sich damit auf die Anforderungen an den Spieler, möglichst schnell Entscheidungen zu treffen, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und sich eine Strategie für das erfolgversprechende Vorgehen zurechtzulegen. All diese Fähigkeiten seien auch im Alltag gefragt, etwa beim Autofahren oder bei der Vorbereitung eines Referats. Und sogar in anspruchsvollen akademischen Berufen könnten sich in Videospielen trainierte Fertigkeiten positiv auswirken: Angehende Architekten oder Ingenieure würden unter Umständen bereits bei universitären Aufnahmetest davon profitieren, in 3D-Spielen ihre räumliche Wahrnehmungsfähigkeit geschult zu haben. Auch eine Untersuchung des Max Planck Instituts in Berlin kam zu dem Ergebnis dass Computerspiele Feinmotorik und strategisches Denken schulen, und eine im `World Journal of Surgery´ vorgestellte Studie bescheinigte Chirurgen eine deutliche Steigerung bei der Durchführung virtueller Operationen, nachdem sie zuvor fünf Wochen lang mit einem Ego-Shooter trainiert hatten.

Weiterführende Informationen zum Thema Lernen:

  • IMED-KOMM ist ein EU-IT-Projekt zur Erschaffung von innovativen Sprachlernmaterialien, Test- und Zertifizierungstechniken für die interkulturelle berufssprachliche Kommunikation ausländischer Ärzte und medizinischer Fachkräfte in den Mitgliedsländern.
  • Bei www.learn-english-via-skype.com finden Sie Online-Englischkurse, die Sie per Skype und Google-Hangouts absolvieren können.

Sprachen, Sport & Skills

Gemein ist all diesen Spielen, dass sie ausschließlich allgemeine, eher unspezifische Skills und Fertigkeiten verbessern, die sich allerdings in vielen Lebenssituationen und Berufsfeldern anwenden lassen. Daneben haben sich jedoch längst solche im anglo-amerikanischen Sprachraum als `serious games´ bezeichneten Lernspiele etabliert, deren Spielziel die konkrete Wissensvermittlung oder das Trainieren ganz spezifischer Fähigkeiten umfasst. „Das können sehr genau umrissene Themenfelder wie die Vorbereitung auf den PKW-Führerschein oder das Erlernen eines spanischen Basisvokabulars auf dem Nintendo DS sein, aber auch das Training sensorischer Fähigkeiten wie Musikalität oder die Entwicklung motorisch-physiologischer Fähigkeiten wie das Nachvollziehen bestimmter Yoga-Figuren oder komplizierter Tanzschritte vor stationären Konsolensystemen“, erklärt Dr. Martin Mirbach von LernSpiele24.de, einer Online-Plattform die sich ausschließlich auf die Vorstellung von Video-Lernspielen konzentriert. Gerade die auch als ‚Exertainment‘ bekannten Sportlernspiele erfreuen sich seit der Einführung (opto-) sensorischer Eingabehilfen wie Wiimote, PlayStation Move und Kinect einer wachsenden Beliebtheit, weil sich erst mit ihnen die Möglichkeit der eingreifenden Korrektur zum Erreichen des Lernziels eröffnet haben.
Fazit: Mit Videogames zum Lernerfolg – das funktioniert! So allgemein wie konkret, so unspezifisch wie ergebnisorientiert. Jeder Spieler kann vom Spielen profieren, und wer weiß, was er will, profitiert sogar in ganz besonderem Maße. So macht Lernen Spaß!

Bild: bigstockphoto.com / Rawpixel